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von Einem, der auszog, um 3000 Perry-Rhodan-Romane zu lesen

Atlan im Atomzug

Kürzlich habe ich Band 54 “Der Zweikampf” von Karl Herbert Scheer gelesen. Mit Atlan scheint Scheer endlich seine Figur gefunden zu haben. Keine Spur mehr vom abgehackten Wochenschauduktus, kaum noch Befehle und Halbsätze, dafür fast schon Lyrik. (Ja, ich weiß, der berühmte Wasservers, die einzig wahre Lyrik steht schon in Band 50 und kommt immer wieder …)

Aber Scheer wäre nicht Scheer, wenn nicht zumindest ein paar kleinere technische Schmankerln durchs Heft geistern würden. So lesen wir dann auch Folgendes:

“Wer fuhr in Terrania schon noch mit altertümlichen Atomzügen!”
(Quelle: K.H. Scheer – Der Zweikampf, Moewig Verlag, 1. Auflage, Seite 17)

Und wenige Zeilen darauf heißt es:

“Ich hatte bedenkenlos die Schiebetür einer schweren Atom-Lok aufgerissen, die im Augenblick meiner Ankunft das Abfahrtssignal erhalten hatte.”
(Quelle: K.H. Scheer – Der Zweikampf, Moewig Verlag, 1. Auflage, Seite 17)

Atom-Was? Spinnen die denn in Terrania?
Mitnichten!

Lokomotiven mit Kernenergieantrieb waren eine Zeit lang der allerneueste Trend, auch wenn sie aus naheliegenden Gründen nie gebaut wurden.
In der US-amerikanischen X12, einem Eisenbahnprojekt der 50er-Jahre, sollte ein Reaktor die nötige Energie für eine Dampfturbine liefern, die 12 Achsen eines 38 Meter langen Monsters angetrieben hätte. Gescheitert ist dieses Fahrzeug, wie letztlich alle anderen Projekte dieser Art, an der konstruktiv nicht umsetzbaren Abschirmung des Reaktors. A. Doninger berichtet ausführlich über dieses Projekt und zeigt auch einige Risszeichnungen der X12.

Auch in der Sowjetunion wurden Pläne für Atomzüge ausgearbeitet. Eine Breitspurbahn durch Sibirien sollte den sich ergebenden Tankproblemen durch einen Kernenergieantrieb entkommen. Bei Mosafilm findet sich eine ausführliche Beschreibung des Projektes, ebenfalls mit einigen interessanten Zeichnungen.

Und auch in Deutschland wurde über eine solche Lokomotive nachgedacht. Offenbar auf Basis der V200 plante Kraus-Maffei ein Lokmonstrum mit Kernenergieantrieb. Und natürlich blieb auch diese Lok im Planungsstadium. Zum Glück.

Wie sehr aber die Träume von neuartigen Antriebstechniken Scheer begeistert haben müssen, lesen wir im weiteren Verlauf des Heftes, wenn Atlan einen Rucksack mit Elektrorotor erhält oder in ein Gasturbinentaxi steigt.

Einen Raketenrucksack hat Bell mal in den 60ern entwickelt, allerdings mit Düsenantrieb und nur geringem Erfolg. Atlans Propellermaschine hingegen dürfte eher Ähnlichkeiten mit der Vorrichtung von Karlsson vom Dach aufweisen.
Und Gasturbinenfahrzeuge sind in der Rückschau nicht das überzeugendste aller Antriebskonzepte, aber Anfang der 60er schon noch irgendwie cool. Schließlich wurden die Dinger später ja auch in Formel-1-Autos eingebaut.

Aber wie ich schon schrieb. Mich faszinieren solche Textstellen und ich wünsche mir, dass ich noch miterleben kann, was wir in fünfzig Jahren zu Konzepten wie dem Weltraumfahrstuhl sagen werden.

2 Kommentare

  1. Columbus

    Atomlokomotiven – in den 50er Jahren war die Welt der Fortschrittsgläubigen noch in Ordnung. Davon hatte ich noch nie was gehört. Interessanter Beitrag, Martin.

  2. Ralf Entz

    Hm, apropos Weltraumfahrstühle… Lustig, dass ich gerade im Roman Sundiver gelesen habe, dass die Weltraumfahrstühle das einzige gewesen wären, was die Aliens nach ihrem Kontakt mit den Menschen als beindruckende Leistung anerkannten. :DRalf

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