Markus Regler über den fünften Kurzroman der verlorenen Jahrhunderte
Die obligatorische Spoilerwarnung kommt hier gleich zu Beginn, denn es ist endlich soweit. Wir erfahren im fünften Teil dieser Kurzromanserie etwas über unsere heimatliche Milchstraße. Und die Hauptfigur ist eine alte Bekannte, die Admiralin Anna Patoman.
Schon
als die Titel der einzelnen Kurzromane bekanntgegeben wurden, kam mir
diese Figur in den Sinn. Ich hatte das zunächst wieder verworfen, es
könnte ja eine falsche Fährte gelegt worden sein.
Zum
Inhalt
Der
Roman spielt etwa siebzig Jahre nach dem Ausbruch des Weltenbrandes.
Die ehemalige Admiralin Anna Patoman hat sich zurückgezogen und lebt
auf dem Planeten Abaq, der von Arkoniden kolonisiert worden ist.
Der Weltenbrand tobt noch immer, obgleich seine Ursachen seit langem beseitigt sind. Die Bewohner der Milchstraße leiden nach wie vor an den psychisch belastenden Auswirkungen der Hypersensibilität und haben sich anscheinend überwiegend unter die Oberfläche ihrer Planeten zurückgezogen. Zusätzlich läuft die pharmazeutische Forschung auf Hochtouren, um die Reizüberflutung medikamentös abzumildern. Anna Patoman hingegen stellt sich dem Weltenbrand entgegen, lebt einsam in der von den Abaqa verlassenen Stadt Tahara und verzichtet auf Pillen.
Nach einem Zusammenbruch findet sie sich in einer unterirdischen Klinik in der Obhut des Medikers Ulukant Bedrik wieder. Während ihres Aufenthaltes kommt es zu einem Angriff einer Gruppierung um Aoris Kiehn, der sich Hoher Ultran des Zweiten Lichtes nennt.
Als
das „Zweite Licht“ stellt sich Anna Patoman selbst heraus. Kiehn
hält sie für das Allheilmittel gegen den Weltenbrand. Er glaubt,
dass sich in Patomans Hirnwasser Antikörper gebildet haben, aus
denen sich ein wirksames Gegenmittel erzeugen lässt. Also will er
ihr das Hirnwasser abzapfen, genau gesagt: das gesamte Hirnwasser,
was gleichbedeutend mit Annas Tod ist.
Als
Druckmittel dienen ihm Sprengladungen, die überall in der Klinik
angebracht sind.
Die
ehemalige Soldatin ist zunächst bereit, sich für die Unschuldigen
zu opfern, die sich dort aufhalten. Doch zusammen mit Ulukant Bedrik
heckt sie einen Plan aus, um Kiehn zur Strecke zu bringen.
Als
die Hirnwasser-Entnahme ansteht, injiziert Bedrik ein Mittel, das
Patoman in einen scheintoten Zustand versetzt. Der Eingriff scheitert
scheinbar und nach ihrem Wiedererwachen beobachtet die Admiralin,
dass Kiehn seine Leute zum Abzug sammelt. Allerdings will er die
Klinik danach dennoch in die Luft jagen.
Um
das zu verhindern und stellt Patoman Kiehn zum verbalen Duell. Zuvor
prügelt sie sich aber handfest mit Kiehns Adjutantin Fara und
erweist sich als überraschend fit für eine 191-jährige, die
vierzig Jahre zuvor den Flottendienst quittiert hat.
Patoman
hält Kiehn für einen Mann mit ehrbaren Absichten, der lediglich
einmal im Leben falsch abgebogen ist. Sie kann ihn schließlich davon
überzeugen, dass er auf das falsche Pferd gesetzt hat und die
Zerstörung einer Klinik, die sich der Erforschung von Medikamenten
gegen den Weltenbrand widmet, die denkbar schlechteste Idee ist.
Zum
Ende des Romans bricht sie wieder auf, um weiter für die Völker der
Milchstraße zu kämpfen.
Was
macht den Roman aus?
Eine
Szene sticht besonders hervor. Nachdem Aoris Kiehn beide gefangen
gesetzt hat, erläutert Ulukant Bedrik der Admiralin detailliert die
vermeintliche Antikörper-Produktion im Gehirn und deren Widerlegung.
Rüdiger
Schäfer ist Chemiker und bei einem Pharmazie-Unternehmen tätig. Und
er nutzt die Gelegenheit, sich auf diesem Wissenschaftsgebiet
textlich voll auszutoben. Ich habe nicht den blassesten Schimmer, ob
der Vortrag in allen Einzelheiten den Tatsachen entspricht, aber es
klingt verdammt professionell.
Mir
gefiel die Szene gut, aber ich könnte mir vorstellen, dass der eine
oder andere Leser ob des Chemo-Babbel hier etwas schneller geblättert
hat.
Der
zweite herausragende Aspekt ist die Tatsache, dass man (endlich,
möchte man sagen) etwas über die Situation in der Milchstraße
erfährt. Zwar sind politische Details nach wie vor Mangelware, denn
Anna fängt über ihre Space-Jet nur spärlichen Funkverkehr auf.
Jedoch ist das einzige Detail das Faktum, dass Perry Rhodan bereits
siebzig Jahre nach seinem Verschwinden nicht mehr in den
Funknachrichten erwähnt wird. Ob hier schon das große Vergessen
begonnen hat?
Vielmehr
schildert Rüdiger Schäfer in seinem Roman die verschiedenen
Strategien, wie in der Galaxis mit dem Weltenbrand umgegangen wird.
Dessen Ursachen sind zwar beseitigt, aber die Wirkung klingt auch
nach sieben Jahrzehnten nur langsam ab.
Die
Flucht in die Tiefen des Untergrunds, um der Hypersensibilität zu
entfliehen, ist eine weit verbreitete Praktik. Ganze Völker graben
sich ein und so ist es kein Wunder, dass Weltraumverkehr nur noch
vereinzelt stattfindet.
Als
flankierende Maßnahme werden medizinische Therapien erforscht und
die Medikamente stetig verbessert. Durch die zunehmende Abkopplung
der Milchstraßenvölker voneinander und die psychische
Beeinträchtigung dürften die diesbezüglichen Fortschritte
überschaubar sein.
Diese Mittel ermöglichen lediglich eine teilweise Linderung. Auf Arkon, Terra oder einer anderen hoch technologisierten Welt mag eine höhere Lebensqualität möglich sein, auf einem Großteil der Milchstraßenplaneten wird das Leben zur Qual.
Langsam aber sicher werden die Milchstraßenvölker zermürbt. Ebenso wie Anna Patoman, die sich jeglicher Flucht oder Pille verweigert hat. Sie ist es gewohnt, einem Gegner die Stirn zu bieten, aber selbst ihre Zuversicht ist geschwunden. Schon fünf Jahre weilt sie auf Abaq, obwohl sie eigentlich nur kurz Station machen wollte. Schäfer präsentiert sie somit symbolisch für die Bewohner der Milchstraße.
Überhaupt
ist Abaq ein Musterfall dafür, was sich draußen auf den anderen
Planeten so oder so ähnlich abspielt. Die Verzweiflung ist groß.
Das führt zum Festhalten am letzten Strohhalm und zu
Verzweiflungstaten. Aoris Kiehn will im Grunde nur das beste für
sein Volk. Er nimmt sogar in Kauf, ein Leben zu nehmen, um dadurch
viele zu retten.
Man
möchte sich nicht vorstellen, wie es in der übrigen Galaxis
aussieht, wo derartige Auswüchse sicher häufig von Erfolg gekrönt
sind. Auch eine Anna Patoman kann nicht überall sein.
Kurz
reißt Rüdiger Schäfer konkret an, welcher psychischen Belastung
die Galaktiker ausgesetzt sind und welche schrecklichen Konsequenzen
(Selbstmorde, Scharlatanerie …) diese nach sich zieht. Den Rest –
das große Bild – auszumalen, überlässt er dem Leser. Und die
Bilder, die sich einem aufdrängen, sind beängstigend.
Fazit
Rüdiger Schäfer erzählt die spannende Geschichte einer immer noch rüstigen Admiralin, die sich nicht von einem dahergelaufenen Möchtegern-Terroristen unterkriegen lässt. Gleichzeitig lässt er erahnen, was sich in der Milchstraße zu Beginn der Verlorenen Jahrhunderte zugetragen und was möglicherweise die Grundlage für die „heute“ herrschenden Verhältnissen gelegt hat.
Ich bin 41 Jahre alt und Exil-Oberbayer in Ostwestfalen.
Ich mag Science Fiction und Fantasy, insbesondere Perry Rhodan. Ich spiele und schaue gerne Fußball. Und ich versuche mich an eigenen Texten.
Den Rest meiner Zeit nehmen meine drei Kinder und meine wunderbare Ehefrau in Beschlag.
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