Ein Gastbeitrag von Markus Regler
Mit
„Das Erwachen der Hüterin“ legt E. S. Schmidt den ersten Band
der Trilogie „Die Chroniken der Wälder“ vor.
Darin
wird die Geschichte des Menschen Daric Tedesohn und der Elynn
Aroanída erzählt, die beide aus ganz verschiedenen Welten stammen
und in Liebe zusammenfinden. Was hier zunächst wie eine
Romantik-Geschichte klingt, ist mit gehörig Action gewürzt.
Willkommen in der Welt der Elynn
In
der Fantasy-Welt von Schmidt leben neben den Menschen die
elbenartigen Elynn. Als große Stärke des Romans habe ich es
empfunden, dass die Elynn nicht das nächste 08/15-Elbenvolk seit
Tolkien sind, sondern ihre eigenen besonderen Fähigkeiten und
Lebensart haben, die sie von anderen ähnlichen Völkern abgrenzen.
Die Elynn und ihre Kultur sind liebevoll und detailreich
ausgestaltet. Hervorragender Weltenbau! Toll!
Seit
einer großen Auseinandersetzung vor fast 1200 Jahren, die Grundlage
für Sagen und Legenden ist, existieren die beiden Völker
weitestgehend getrennt voneinander. Die Elynn leben in Wäldern,
verlassen diese höchst selten und gelten gemeinhin als mystische
Wesen. Sie werde oft mit Skepsis betrachtet, da sie im Ruf stehen,
Menschen in die Wälder zu locken und dort wahlweise zu verführen
oder verschwinden zu lassen. Die Elynn hingegen schauen auf die
Menschen herab und sehen sie auf einer Stufe nur knapp über wilden
Tieren.
Vor
diesem Hintergrund treffen der Schwertsklave Daric und Aroanída
aufeinander. Daric ist wegen Mordes dazu verurteilt in der Arena zu
kämpfen und ist sehr erfolgreich darin. Aroanída hält sich zum
ersten Mal überhaupt unter Menschen und auf dem Weg zu ihrem Vater,
der als eine Art Botschafter in einer Menschen-Stadt residiert. Ihre
Reisegemeinschaft wird überfallen und sie müssen sich als einzige
Überlebende alleine durchschlagen. Trotz aller trennenden Gräben
verlieben sich die beiden ineinander und finden am Ende des ersten
Abschnitts zusammen.
Klare Struktur
Der
Roman gliedert sich in vier Abschnitte. Die Teile I und II sowie III
und IV sind jeweils zeitlich zusammenhängend. Jeder Teil hat seinen
eigenen Spannungsbogen und erzählt im Grunde eine eigene Geschichte.
Während
ich die Abschnitte I und II quasi eingesogen habe, zog sich Abschnitt
III etwas zäh dahin. Hier hätte der Spannungsbogen etwas steiler
sein dürfen, zumal das darin vorkommende Kriegsszenario Stoff für
Action geboten hätte. So bleibt es bei vereinzelten
„Spannungsspitzen“ und den Protagonisten gehen die
Herausforderungen für meinen Geschmack ein wenig zu glatt von der
Hand.
Der
abschließende Abschnitt IV des Romans wartet allerdings mit einem
Paukenschlag auf, der schlagartig alles auf den Kopf stellt, was
Figuren und Leser bis dahin über die Vergangenheit zu wissen
glaubten. Dennoch kommt auch dieser Teil für mich nicht ganz an die
erste Hälfte des Buches heran, wo der Roman geradezu ein page turner
war.
Etwas
gehadert habe ich mit einer Szene ziemlich am Anfang. Während Daric
und Aroanída gemeinsam auf der Flucht sind, entkleidet sich Aroa an
einem Teich, um zu schwimmen. Daric ist von ihrem Anblick so
verführt, dass er übergriffig wird. Aroanídas Reaktion darauf ist
erst wütend und dann peinlich berührt, weil sie vergessen hatte,
dass Menschen so triebgesteuert sind. Man muss zur Verteidigung
sagen, dass die Wirkung der Elynn auf Menschen auch im weiteren
konsistent so beschrieben wird. Auch der freizügigere Umgang der
Elynn mit Sexualität wird thematisiert. In sich ist das alles
schlüssig. Allerdings weiß ich nicht, ob ich eine solche
Grundsituation (Frau ist schön – Mann küsst sie ungefragt –
Frau gibt sich die Schuld) lesen will. Zumal Daric im weiteren
Verlauf des Romans als beherrscht und zivilisiert geschildert wird.
Stimmungsvoll erzählt
Erzählerisch
hat das Buch einiges zu bieten, was mir sehr gut gefallen hat.
Schmidt
erzählt die Geschichte ausschließlich und abwechselnd aus der
Perspektive der beiden Hauptfiguren und legt dem Leser auf charmante
Weise die Weltsicht beider Völker dar. Aroa versteht die
Handlungsweisen der Menschen nicht, ebenso wie sich für Daric die
Lebensweise der Elynn nicht vollständig erschließt. Bilateraler
sense-of-wonder sozusagen.
Die
vier Episoden des Romans unterscheiden sich auch in ihren
Grundstimmungen. Das macht es abwechslungsreich für den Leser und
man hat nicht das Gefühl viermal dasselbe zu lesen. Auch der
Zeitsprung zwischen den Abschnitten II und III tut der Geschichte
gut. So kann man den Figuren ein wenig „Entwicklungszeit“ geben
und die neuen Abenteuer frisch aufsetzen.
Vor
allem in der zweiten Hälfte des Buches treten immer wieder
ethisch-philosophische Fragen auf. Wie weit soll man gehen, um
anderen zu helfen, wenn es einem auf Dauer Schaden zufügt? Muss man
Errungenschaften, die sich als negativ herausgestellt haben, ablehnen
und tabuisieren, obwohl sie auch Gutes bewirken könnten? Diese
Fragen werden auch im konkreten Kontext nicht abschließend
beantwortet und sie werden uns wohl auch in den beiden noch kommenden
Teilen der Reihe beschäftigen.
Mir
hat es sehr viel Spaß bereitet, diesen Roman zu lesen. Ich freue
mich schon auf die Fortsetzungen, zumal die Autorin den Leser am
Schluss etwas an der Klippe hängen lässt. Sehr geschickt, Frau
Schmidt!
Für
mich war das Buch erfrischend anders im Gegensatz zu anderen
Fantasy-Geschichten (das ist bei mir keine breite Wissensbasis, ich
bin mehr in der SF zuhause), was vor allem an den Elynn und ihrer
Welt liegt. Aber auch Aroanídas stetes Staunen und die Art und
Weise, wie sie sich in der ihr unbekannten Welt tapfer durchschlägt,
fand ich schön. Darics ausgeprägten Beschützerinstinkt hat sie
eigentlich gar nicht nötig.
Lieblingszitat:
„Es ist das Wesen des rechten Schenkens, nichts zurückzuerwarten.
Gerade darin findet der Schenkende seine Freude.“
Fazit:
Der
Roman ist interessant, vielseitig, spannend und wartet mit einer toll
ausgestalteten Welt und zudem hohem sprachlichem Niveau auf.
Von
mir ergeht daher eine klare Leseempfehlung!
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